Jeder ist seines Skelettes Schmied!

Prof. Dr. med. Reiner Bartl

Herr Prof. Bartl, Sie gelten als Pionier der Osteologie, der Wissenschaft vom Knochen und sind ein international anerkannter Osteoporose-Experte. Außerdem haben Sie schon mehrfach den Welt-Osteoporose-Tag in München ausgerichtet. Wie kam es dazu?

Ich beschäftige mich seit etwa 40 Jahren mit der Behandlung von Knochenkrankheiten. Dabei kommt natürlich der Volkskrankheit Osteoporose die größte Bedeutung zu. In den letzten 20 Jahren haben neue Medikamente, vor allem die Bisphosphonate, die Behandlung des Knochenschwunds revolutioniert und sehr vereinfacht – Stichwort Jahresinfusion. Damit kann bei frühzeitigem Einsatz die Osteoporose mit ihren gefürchteten Knochenbrüchen vermieden werden. Auch fortgeschrittene Formen sind noch gut zu behandeln. Diese Erkenntnisse und Fortschritte wurden aber leider von den Kollegen und von den Kassen lange Zeit nur zögerlich umgesetzt. Den einzigen Ausweg sah ich daher, direkt auf den mündigen Patienten zuzugehen, ihn auf Veranstaltungen zu informieren und sein Engagement für einen gesunden Knochen zu wecken. So entstanden und entstehen Selbsthilfegruppen, wo sich Betroffene  gegenseitig unterstützen. Nach dem Motto: „Jeder ist seines Skelettes Schmied!“ Darum geht es mir auch in meinem Osteoporose-Ratgeber, den wir für die 2. Auflage um Ernährungstipps und ein Trainingsprogramm erweitert haben: Detaillierte, aktuelle und vor allem praktische  Informationen zur Osteoporose zu geben.

Ihr Ratgeber zur Osteoporose behandelt sowohl die Prophylaxe, also vorbeugende Maßnahmen als auch die Behandlungsmethoden bei einer schon bestehenden Osteoporose. Heißt das, wenn ich an Osteoporose erkrankt bin, muss ich mich nicht den Rest meines Lebens mit brüchigen Knochen abfinden?


Am einfachsten ist es heute, mit Bewegung, dem richtigen Lebensstil, Vitamin D und kalziumreicher Kost die Osteoporose zu vermeiden. Liegen aber bereits Knochenbrüche vor, so kann heute mit den modernen Medikamenten der Knochen wieder gestärkt werden. Heute muss jeder Osteoporosepatient eine effektive Therapie bekommen, um weitere teure und komplikationsreiche Frakturen zu vermeiden!

Im Volksmund wird Osteoporose ja auch Knochenschwund genannt. Wieso sind Frauen so viel mehr betroffen als Männer?


Frauen sind vor allem nach der Menopause mit Wegfall des schützenden Östrogens betroffen. Heute kommen aber auch schon Mädchen, junge Frauen und Männer mit Osteoporose in meine Praxis. Osteoporose ist inzwischen eine Volkskrankheit und betrifft alle Schichten und beide Geschlechter. Rund 10% der Bevölkerung sind betroffen. Hinzu kommt, dass die Bevölkerung immer älter wird und damit steigt die Zahl der Osteoporosepatienten.

Osteoporose ist ja vorwiegend eine Krankheit des Alters. Menschen denken in jungen Jahren bekanntermaßen wenig an ihren Gesundheitszustand im Alter. Welche Faktoren im Jugendalter begünstigen eine spätere Osteoporose?


Gerade in jungen Jahren tragen folgende Situationen zu einem frühen Knochenschwund bei: Erbfaktoren, Immobilität und wenig körperliche Aktivität, Ernährungsstörungen, Rauchen, Hormonstörungen und bestimmte Medikamente (Kortison).

Sie bezeichnen die Osteoporose in Ihrem Buch als „stillen, konsequenten Dieb“.  Entdeckt man, oft erst nach einem Knochenbruch, eine schon manifeste Osteoporose ist der Schock groß. Wann ist eine Untersuchung im Sinne der Vorbeugung  Ihrer Meinung nach sinnvoll?


Eine frühe Osteoporose ohne Knochenbrüche merken sie nicht, sie geht nicht mit Schmerzen einher. Darum bezeichnet man sie als „stillen Dieb!“. Erst die schmerzhafte Fraktur demaskiert die Osteoporose. Die ärztliche Kunst ist es, diese Gefahr noch vor dem Bruch zu erkennen und den Knochenschwund effektiv zu behandeln. So wie Sie den Bluthochdruck anfangs nicht merken, so läuft der Knochenschwund symptomlos ab. Man kann aber Risikofaktoren selbst bei sich abfragen und frühzeitig in Absprache mit dem Hausarzt eine einfache, extrem strahlungsarme, schmerzlose und preiswerte Knochendichtemessung durchführen lassen. Ich empfehle Patienten unbedingt nach der DXA-Methode zu fragen. Die DXA-Messung sollte, auch wenn keine Risikofaktoren vorliegen, bei der Frau mit 50 Jahren wegen der Menopause und beim Mann mit 60 Jahren erfolgen. Die Vorsorge für gesunde Knochen gehört in jedes gute Vorsorgeprogramm und wird inzwischen auch von den Kassen honoriert.

Buchinfos zu: "Der große Patientenratgeber Osteoporose" von Prof. Dr. Reiner Bartl